Piotrowski und Krawutschke

Schulleiter Krawutschke hatte Trainer Piotrowski zu sich bestellt.
Krawutschkes Großeltern, die auf einer entlegenen Klitsche im Bezirk Schwerin hausten, ohne Konsum und ohne Bahnhof, nicht einmal der Überlandbus fuhr das Dorf an, die er seit 20 Jahren nicht mehr gesehen hatte, bei denen das Wohnzimer nach Medikamenten miefte und nach Muffelfederbettzeug, in dem einer der beiden Großelternteile abwechselnd gepflegt werden musste, die stammten aus dem Kaukasus, waren Kaukasusdeutsche, deren verknorpeltes Deutsch Krawutschke in den Ohren klang, wenn er sich mit Piotrowski unterhielt.
Krawutschke fand die Redeweise drolligaltertümlich und amüsierte sich darüber hinter dem Rücken des Umsiedlerdeutschen.
Auf der Weihnachtsfeier hatte Krawutschke den Dialekt nachgeahmt. Er hatte den Knecht Ruprecht gespielt mit Sack und Rute, Geschenke und versteckte Warnungen unters Volk gemischt und dabei diesen kehligen, verfälschten Dialekt angenommen.
Später am Abend als leere Schnapspullen über die Tafel rollten, wollte er sich an Hanna Drews aus der Küche ranmachen. Aalglatt und geschickt wehrte sie seine Anmache ab. Als er erneut angreifen wollte, tauchte sie mit Siggi Dürkopp, dem Hausmeister vom benachbarten Ferienlager, an ihrer Seite auf. Mit brennender Wunde blieb ihm nichts anderes übrig als sich in seinem Dienstzimmer einzuschließen und sich einen runterzuholen. Nachhausefahren lohnte sich damals nicht, denn seine Frau Carola hatte ihn auf Null-Sex gesetzt.
Voreilig hatte er ihr im vergangenen Sommer versprochen, dass er ihr zum Geburtstag einen FauWeeGolf schenken würde. Für verdienstvolle Sportkader war eine Sonderlieferung angekündigt und Krawutschke hatte alle Hebel in Bewegung gesetzt, um sich ein Exemplar zu sichern. Die Sportschule Kieserow, die er leitete, gehört zu den wenigen exklusiven Einrichtungen, die dem Staatssekretariat für Körperkultur und Sport unterstellt waren,

 

 

[desweiteren: der SPORTMEDIZINISCHE DIENST SMD, für dessen Bestückung mit Spezialärzten extra die weltweit einzige Facharztausbildung zum Sportarzt geschaffen wurde,
die DEUTSCHE HOCHSCHULE FüR KöRPERKULTUR UND SPORT DHfK, die jährlich die riesige Menge von mehr als 250 Diplomtrainern produzierte, die nahezu ausschließlich vom Leistungssportsystem absorbiert wurden,
das FORSCHUNGSINSTITUT FüR KöRPERKULTUR UND SPORT FKS, mit dessen unscheinbar klingendem Namen und mit dessen Unmenge an LächerlichSinnlosPseudoUntersuchungen sich die dort versteckte, VVS- (=VERTRAULICHE VERSCHLUSSSACHE, höchstmögliche zivile Geheimhaltungsstufe) geschützte SpitzensportGeheimforschung tarnte,
die FORSCHUNGS- UND ENTWICKLUNGSSTELLE FüR SPORTGERäTE FES, die das Wettrüsten im olympischen Hochleistungssport provozierte und Materialschlachten zu Land, zu Wasser, in der Luft und auf EisundSchnee entfesselte.]

 

während die anderen VergabeAnwärterKonkurrenten den Fachverbänden und damit dem Sportbund angehörten. Da hatte er einen viel kürzeren Weg bis zur höchsten Ebene und erst recht seit er eine stellvertretende Abteilungsleiterin wiedergetroffen hatte, die er als Instrukteur im Zentralrat beschlafen hatte.
Gewöhnlicher ArbeitsGeeFau im Rahmen von GebenundNehmen, nichts Besonderes. Sie waren bequem im DienstMossi


[ugs. für sowjetische Automarke москвич, dt.: Bewohner Moskaus (Sg.), Hauptstadt der Sowjetunion, urspr. auf Basis eines als Reparationsleistung übernommenen OpelKadettpatents mitsamt Betriebsanlagen, für die, die das nicht wissen wollen.]


auf Dienstreise unterwegs.
Während er als Polit-Instrukteur Parteilehrjahr


[d.i. monatliche, politische Pflichtschulung der Partei-Mitglieder nach einem zentral vorgegebenen Themenprogramm. Die Teilnahmepflicht wurde in sog. „staatsnahen” Einrichtungen auf parteilose Beschäftigte ausgedehnt, so z. B. generell Lehrer in der Volksbildung oder Hochschullehrer oder Wissenschaftler an Instituten.]


in drei Kreisleitungen zum Thema Geschichte des Leninschen KOMSOMOL


[Akronym aus: Коммунистический союс молощёжи, dt.: Kommunistischer Jugendverband; der vollständige Name lautet: Всесоюзню"и ленински"и коммунистически"и союс молощёжи, ВЛКСМ; dt.: Gesamtsowjetischer Leninscher Kommunistischer Jugendverband]


abhielt, assistierte sie und schrieb Protokoll. Das war damals noch kein weltbewegendes Thema, eher eine langweilige Angelegenheit, nicht so wie heute, da bei den Russen die Seuche Перестро"ика ausgebrochen war.
Unterhaltsamkeit war für Krawutschke ohnehin nicht Sinn der Sache. Er knüpfte Beziehungen, um irgendwo einen günstigen Absprung aus dem Zentralrat vorzubereiten.
Für seine Begleiterin bestand das GebenundNehmen darin, dass sie sich eine exzellente Beurteilung für die Delegierung zum Auslandsstudium verschaffen wollte. Mit Erfolg.
3mal Parteilehrjahr, 3mal Gästehaus, 3mal Doppelzimmer und 3mal Doppelbett. Sie assistierte Tag und Nacht.
Als sie sich in der Cafèteria des Staatssekretariats wiedertrafen, trug sie keinen Ehering und setzte sich freundschaftlich überrascht zu Krawutschke. Sie sah nicht großartig verändert aus, breite Hüften, leichter Bauch, flache Oberweite, eben nicht sexy, erinnerte er sich.
Genauso wie sein Matz in der Hose nicht ansprang (gar kein Zeichen, gar nix.). Sie telefonierten einige Male und sie bestätigte alle seine Anträge auf Mittelbewilligung.
Dafür besuchte sie vorzugsweise seine Sportschule mit den ausländischen SportFunktionärDelegationen, für die er das Feinste und Beste auf den Tisch stellte (zugegeben: Der strafversetzte Küchenchef Tiedke organisierte das, nachdem Krawutschke ihm unter Vieraugen in die Hand versprochen hatte, für seine Begnadigung ein gutes Wort einzulegen ((Er hätte an höherer Stelle gute Verbindungen — Was musste er nicht alles anstellen, um individuelle und gesellschaftliche Interessen in Übereinstimmung zu bringen!)), allerdings ohne ernsthaft Anstalten zu unternehmen. Wozu sollte es ihm nützen, den allzunützlichen Küchenchef vorzeitig ziehen zu lassen?) Sogar der Staatssekretär persönlich hatte die Sportschule in diesem Jahr auf seinem Besuchsprogramm. Das war seit der Eröffnung vor 20 Jahren noch nicht vorgekommen.
Nur das Unglück mit dieser Stellvertreterin, die urplötzlich ihr Eheglück versuchen musste. Ausgerechnet vor der Golflieferung. Sie hatte in ihm schon die Gewissheit geweckt, dass er DenEinen von 5 erhält, die dem Staatssekretariat zugesprochen werden sollten, worauf er damit vor seiner Frau geprahlt hatte, die nichtdichthalten konnte und es in ihrer verdammten Verwandtschaft herumgetratscht hatte, in der buckligen Verwandtschaft, für die er vorher der Versager war, der sich in die Provinz abschieben ließ, für die er zu dämlich war 1von1000 Posten in der Hauptstadt zu ergattern, die aber nun monatelang bei ihm schleimte in der Hoffnung, er wäre ihr Zugang zu jeder erdenklichen Bückware in den Warschauer Vertragsstaaten, von der er sich schmeicheln ließ, die er hinhielt und vertröstete, über die Macht zu haben er so gern vielviellänger ausgekostet hätte.
Doch plötzlich verheiratete sich die dumme Gans von StellvertretenderAbteilungsStaatssekretärin und wollte fortan, dass Krawutschke nicht mehr bei ihr anrief. Peinlich waren ihr nun die Bekanntschaften aus der Vergangenheit. Aus wars mit dem FauWee für ihn und aus wars mit dem GeeFau für ihn.
Die dumme Gans hatte sich von einem Arzt einwickeln lassen, der zum Sportmedizinischen Dienst wechseln sollte. Krawutschke hätte sein bestes Stück darauf verwettet, mit welchem Speck die Mistkerlmaus wohl gefangen werden wollte – sein-und-nun-nicht-mehr-sein FauWeeGolf.
Krawutschke jedenfalls war stinksauer; wenn seine blöde Kuh von Ehefrau wenigstens die Klappe gehalten hätte, so dachte er. Erst als Carola in der Heiligen Nacht endlich die 100 Forums im Spitzennachthemd fand, da wurde Ihmseiner von Handbetrieb wieder auf Normalbetrieb umgestellt.
Von dem Ding aber, das er jetzt drehte, verriet er zuhause kein Sterbenswort. An der ersten Zusammenkunft für die Mannschaftsbetreuer bei den Olympischen Spielen hatte er schon teilgenommen. Spiele in Asien, das könnte doch eine Reise werden, bei der man auf ihn aufmerksam werden würde, denn es war wirklich an der Zeit, wieder nach Berlin zu ziehen. Abgesehen von der Reise selbst, die man wohl erst im nächsten Leben planmäßig angehen könnte.
Aber Krawutschke wollte mit allen Mitteln dafür kämpfen, es schon in diesem Leben zu schaffen.

 

 

Piotrowski klopfte und trat ohne „Herein“ abzuwarten ein und setzte sich auf den Stuhl vor dem Schreibtisch des Schulleiters. Der begann ohne Vorrede:

 

 

Es gibt Beschwerden mit Carla, sie hat im Speisesaal rumgebrüllt./ Worum ging?/ Das ist doch wohl egal! Ich muss dir doch nicht erklären, wie das auf die anderen wirkt, Товариш! Ein JWDF-Lehrgang der Boxer, die eh schon nichts in der Rübe haben und jeden Tag was auf die Rübe kriegen. Die sehen wie Carla sich aufführt./ Ich red ihr./ Schaffst du das? Wirklich?/ Ja klar, wieso?/ Ich habe gehört wie sie dich auch angebrüllt hat. Wenn euer Gespräch über die Vorgänge beim Essen auch so abgeht, dann wärs besser, dass ich mit ihr rede./ Brauchste nötig nicht./ Aber du kommst klar mit ihr, auch wenn sie so aggressiv ist?/ Tja aggressiv, was willste machen./

 

 

Piotrowski stand auf und ging zum Fenster. Aufmerksam suchte er die MeerStrandLandschaft ab. Er sah die Ostsee mit kleinem Gekräusel und erkannte am Horizont das violette Wolkengebräu, das in der Nacht für Unwetter sorgen würde. Bis dahin blieb Zeit. Piotrowski ließ sich Zeit mit der Wetterbeobachtung. Hier in der Sportschule zogen noch die weißen SommerFederSchönWetterWolken durch, verdeckten die Sonne von Zeit zu Zeit. Aber die dunkelhellila Wolken würden kommen und wurden erwartet. Neben dem Dranghaus lungerte eine halbleere Milchtüte, eine mit roter Aufschrift, am Boden herum und ergoss ihren verdreckten NichtmehrInhalt nichtmehrweiß auf den schwarzgrauen Betonplatz. Unaufhaltsam spülte das Rinnsal den Dreck aufunddurchs GussGulliGatter. Ständig platzten die Tütenschweißnähte auf, aus allen Papierkörben an den Bürgersteigen der überfüllten Urlauberzentren stank der milchdurchtränkte Sauermüllmus.
Krawutschke deutete Piotrowskis Unterbrechung so, dass der innerlich Anlauf nahm ihn ins Vertrauen zu ziehen und wartete ab bis Товариш Trainer weiterredete:

 

Mann im Bett immer gut. Bissl Verliebtheit gut für Seele, nicht mehr so aggressiv. Und gut für Selbstgetrauen./

 

Piotrowski sah Krawutschke offen an und legte eine Pause ein, als müsste er die Seite wechseln, um sich selbst zu widersprechen:

 

Nur nicht, dass wenig schlafen und Ruhe muss haben oder dass Mann einredet schlanker, kleiner Muskeln. Wenn um Häuser ziehen und Remmi Demmi Zirkus Krawall, da geht hinten los./ Hinten los? Товариш Trainer, da ist es wohl am sichersten, wenn du sie selber von hinten nimmst, da kann dann kein anderer ran. Понимаеш? Fürnen guten Zweck tut man doch alles. Wärst nicht der erste. Kollegen von dir machens doch auch./ Weiß, weiß. Aber Frau kennt mein Geschäft. Macht Hölle heiß, weil Sonderlehrgang gesetzt, war Sommerurlaub jetzt./ Das hast du mir letztes Mal schon erzählt./ Also Carla bei Disco war und hat mit Mann an Ecke knutschen und anfassen und so. Aber Disco war bei mir ungestattet, andern Tag wichtiges Training und hab Mädchen geholt./ Worauf willst du eigentlich hinaus?/ Mann an Ecke war Chef von Ferienlager mit Locke. Geht nicht zu Carla. Stand aber um Ecke und so weiter. Warum trifft mit Carla wenn frei nicht?/ Was weiß denn ich? Und was gehts mich an? Bestimmt hat er fummeln wollen. Hatte einen gehoben und keine klaren Bilder mehr gesehen. Als er dann nüchtern war, hat er von nichts mehr gewusst./

 

Piotrowski schob sich vom Fenster zum Schreibtisch und stützte sich mit beiden Fäusten darauf. Dabei sah er an Krawutschke vorbei auf die Aktenrücken im offenen Metallschrank an der Wand:

 

 

Nee, hat andere. Wenn die nicht hätt, würder mit Carla. Kenn se doch, se möcht. Zuhaus kein Freund, gut, wenn begehrt und abreagiert. Bei Hummeln im Bauch, dann kein Krach in Küche und denkt nicht bei Pillen./ Das heißt Schmetterlinge im Bauch, Товариш Trainer. Ich muss sowieso noch ein Hühnchen mit dir rupfen —

 

Piotrowski stach jetzt mit seinem Blick in die Augen von Krawutschke und redete einfach weiter:

 

Hab ausgehört, Leitermann liebt Mädchen aus Sportschule. Schon Schwimmer und so weiter, braucht nicht sein schön und so weiter./ Carla ist schon ein Hingucker, muss man ja sagen, auch nicht der Schönheit wegen. Im ersten Moment denkt man garnicht, dass man eine Frau vor sich hat. Aber gut und weiter? Brenner vom Ferienlager hatte mit ihr geknutscht. Was willst du von mir?/ War gestern in Hotel. Wernesgrüner kühl in Poseidon, andere Leute sehen, keiner kennt und so. Lockenmann war da mit Frau von Westen und in Zimmer gegangen. Sie hat ein2drei.

 

Piotrowski legte wieder Pause ein. Er hob die Fäuste von der Tischplatte und stellte sich mit verschränkten Armen nachdenklich vor den Schreibtisch:

 

Muss Schluss haben mit Frau von 1zwei3, dann mit Carla Kuss, Liebelei und so. Ich wett./ Schon wieder eine Wette, die du verlieren würdest. Wie willst du das anstellen, dass er Schluss macht? Und wieso erzählst du mir das?/ Is Westkontakt, kann man sehen, aber Westkontakt könnt man Schwierigkeiten und so weiter geben und so, einmal telefonieren, einmal reden, unoffizell./ Inoffiziell heißt das, wenn schon, Товариш Trainer. Du bist ja ein ganz Gerissener, понимаю. Schlitzohr ist nix gegen dich./ Gibt noch was. Lockmann hat Abend kleine Bar in Lager, Sportler gehn hin. Musik, Tanzen und billige Trinken, ist auch un-off-i-zell./

 

Piotrowski schaute wieder die Aktenrücken an und Krawutschke beeilte sich zu antworten:

 

Da liegt der Fall natürlich anders. Einem solchen Hinweis werden wir nachgehen./ Nachgehen? Kann man machen wie ... ausnutzen?/

 

Piotrowski legte den Kopf bei den letzten Worten auf die Seite und zog die Lippen straff. Krawutschke war das Gespräch überdrüssig und entgegnete:

 

Ich glaube, wir beenden das Gespräch hier. Ich danke dir für deine wachsamen Hinweise. Apropos Wachsamkeit: Sag deinem Sektionsarzt, er soll keine Kuriere mehr schicken, die Päckchen vom Sportmedizinischen Dienst in der Küche abgeben. Sonst ist er ganz schnell seinen Posten los./ Hat nicht Posten, nur Vertretung von Gewichtheber. Für uns will keiner gehn./

 

Piotrowski nickte zum Abschied. Krawutschke kratzte sich am Kinn und stellte sich die Frage der Avantgardisten: Was tun?

 

[russ.: Что делать?, 1902 erschienene Schrift von Wladimir Iljitsch Uljanow, Deckname Lenin, die als sein Hauptwerk gilt. In ihr begründet Lenin durch die Betrachtung der Zusammenarbeit von Bildungsbürgertum und Arbeiterklasse innerhalb sozialistischer Parteien die Theorie der „Avantgarde des Proletariats“, die innerhalb des Marxismus-Leninismus eine zentrale Stellung einnimmt.]

 

Piotrowski war ein harmloser Kamerad, aber konnte man wissen? Mit dem Ferienlager wollte er es sich nicht verderben, schließlich wusste er, woher Koch Tiedke gelegentlich seine Delikatessen bezog. Sehr zum Vorteil der Sportschule und seines Leiters. Koch Tiedke wiederum bastelte unermüdlich an seiner Rehabilitierung, um wieder nach Hause zurückzukehren. Innerhalb des Ortes gab es ein Netz von Beziehungen und Abhängigkeiten, an dem über die Jahre viele mitgestrickt hatte. Jedermann zu seinem Vorteil, auch Erik Brenner.
Er überlegte: ,Aber an welcher Strippe sollte er ziehen, in welche Wunde Salz streuen? Dem Brenner die eine Tour vermasseln, um ihn zur anderen zu animieren?`


Bei dem kurios-absurden Gedanken musste er schmunzeln. Zu seinen Zeiten beim Zentralrat hatte man am Mittagstisch nichts zu melden, wenn man nicht irgendeine Weibergeschichte beisteuern konnte. Besser noch, wenn die Kollegen Buschfunk sendeten und man augenzwinkernd leugnete.
,Aber bei Brenner? Gibts einen Grund ihn zu schonen? Die Ehefrau aufscheuchen, das Betthäschen zu verscheuchen? Dem Ehemann vom Betthäschen einen Tip geben, wenn es einen gibt? Und das im Westen? Wäre das nicht der Mühe zuviel? Oder Brenners Chef einschalten?`
Von dem hatte er gehört. Paul Klötenbieter, der aus Kieserow stammte, hatte seine ganze Verwandtschaft hier und jede Menge Beziehungen. Krawutschke fand es nicht Wert, dieses Maschengeflecht aufs Spiel zu setzen, um der unbedeutenden Carla Klittmann gerade zu diesem Liebhaber zu verhelfen. Man wusste nie, was unter einer Laufmasche zum Vorschein kam, wenn man ein Loch ins Gestrickte schnitt. Eine Laufmasche würde es auf jeden Fall geben.
Andererseits, wenn er nichts unternahm, würde Piotrowski möglicherweise an der falschen Stelle weiterplaudern. So wie er heute bei Krawutschke ganz gezielt geplaudert hatte. Piotrowski stand unter Druck, musste Erfolg haben. Der musste keine Rücksicht nehmen. Wenn herauskäme, dass Krawutschke nichts unternommen hätte, dann könnten seine OlympiaAsienReisePläne in Gefahr geraten.
Unschlüssig nahm er den Hörer von der Plastegabel und trainierte Handgelenkkreisen. Räuspernd versuchte er seiner Stimme einen fremden Klang zu geben. Bedächtig spannte er das Schwungrad der klickenden Wählscheibe. Als die Federscheibe sich ausgedreht hatte, war Krawutschke erst richtig verärgert. Benutzt und ferngesteuert kam er sich vor, wie eine Marionettenfigur hing er an den Fäden, die andere in den Händen hielten. Er schlug den Hörer zurück auf die Gabel.
Er wusste, an welche Tür im Interhotel zu klopfen wäre, um den Lauf der Dinge zu beeinflussen.

 

 

 

 

 

 

Aber für einen vollgepumpten, juckigen, muskelschweren, übellaunigen Dummbatz ohne Benimm, die noch nicht einmal mitbekam, dass ihr eigener Trainer sie beschiss?

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