Rufungen
Erik schaltete den CD-Player an und spielte die alte Musik ab. (Selbst stundenlang von Platte übergespielt und Knackser ausgesteuert.)
Die Stimme der blonden, schlacksigen Sängerin aus den Boxen stach genauso wiefrüherschon von Kassette in die Stille und störte betörend, fesselte zum Zuhören, ohne Fülle zerbrechlich, kristallinklirrend, glattrein und perlendklar: Auf der Stadt liegt das Dämmern wie Blei, satt und ma-att wandern Wolken vorbei. Später resigniert: War ein Sommer heiß, zahlt man Eis als Preis? Und ich zahl.
Erik brauchte keine Frau, die morgens mit kreuzundquer abstehenden Haaren neben ihm aufwachte: Die hatten doch alle Mundgeruch. Das Augenwasser verkrustete in der Lidecke. Getrocknete Spucke am Kissen. Flüssigüberflüssige Intimitäten Tag für Tag, Nacht für Nacht und Alltag für Allnacht. Er hatte seit Erika genug davon.
Erik brauchte keine Frau, die schlechte Laune bekam, wenn er einen Spritzer auf die Klobrille pinkelte. Seit Erika aufunddavon war, pinkelte er ins Waschbecken spritzerlos/spülwasserfrei.
Erik brauchte keine Frau, die sich über Barthaare im Waschbecken beschwerte, die frühmorgens Kaffespritzer vom Küchentisch wischte mit dem Vorwurf ihm hinterherzuputzen, die Fenster putzte und dabei auf den dreckigen Regen schimpfte, die Bonbontüten im Auto aufriss und liegenließ und über die vermüllte Kabine meckerte, nee. Erik brauchte keine Frau, die ihm verbot
HERINGE,
die er selber ausgenommen hatte, oder
KARTOffELPUffER,
für die er selbst die Kartoffeln mit der Hand gerieben hatte, oder
SPECKSTIPP,
für die er ein Häufchen aus durchwachsenem Räucherbauchspeck und vielviel Zwiebelhack auf dem Küchenbrett aufgeschichtet hatte, oder
GRIEBENSCHMALZ,
verfeinert mit Äpfeln, Zwiebeln und Sellerie, —
in der Küche zu braten,
WEIL Herd und Fliesenspiegel einsäuten,
WEIL der Gestank in alle Räume zöge,
WEIL es ihr einfach nicht schmecken täte oder
WEIL es ihm einfach schmeckte und
WEIL sie ihm den Genuss nicht gönnte!
(AAch, hätt sie genommen den König Drosselbart.
Ja, hätte sie doch!)
Die letzte, mit der Erik was angefangen hatte, war eine Bekanntschaft aus der Nachbarabteilung. Im vergangenen Winter. Er hatte noch nie Glück im Winter. Wurde denn zwangsläufig ein regelrechter Rohrkrepierer.
Im Bett gab er den Allerzärtlichsten, aber sie schob seine Hände zur Seite, nicht mal die Brustnippel ließ sie sich reiben. Kaum dass sein Boot die Hafeneinfahrt passiert hatte, da war sie losgestöhnt, alswie auswendig gelernt. Da war noch nix zum Stöhnen, da machte die schon laut. Völlig unnatürlich. Als er die erste Ladung abgesetzt hatte und zur zweiten Löschung übergehen wollte, da ist sie aufgestanden und hat nicht mehr mitgemacht. Während sie im Bad gecremt hatte, musste er sich, voll aufgeheizt wie er war, selber einen runterholen.
Dazu gezieltgespieltgeniertgefragt: Was machst du morgen, was machst du am Wochenende, machst du nächste Woche? Das brauchte er nicht mehr. Das brauchte er sich nicht mehr antun.
Das war beim Gewohnheitsficken mit Margò wenigstens klargespielt: Wegen einer Nummer traf man sich nicht. Sonst sowieso nicht. Eines Tages wollte sie Schluss machen, da hatte Erik Klartext geredet: Entweder sie trafen sich einzweimal die Woche oder er würde sie beim Äkbärt verraten. Dass der selbst drauf kam, war in seinem Plan nicht vorgesehen. Äkbärts Anruf gefährdete seinen Till-The-End-Of-The-Time-sichergeglaubten Sex mit Margò.
Sturm kam auf und wütete durch Eriks Hirn, das Gespräch mit Äkbärt ließ nicht locker:
Oh Mann, dachte er, die Mädels sollen sich knackig, begehrenswert hübsch machen, bevor sie zu mir kommen, so wie deine kleine Margot sich schmückt mit roten Lippen, die Augenwimpern etwas blacky, mit der gelben Designerbrille, mit den Ringen an den Fingern, mit der dickkugeligen KlunkerKette um den Hals, mit dem Ohrstecker durch das Ohrläppchen, mit dem Reifen überm Handgelenk und so manches Mal frisch rasiert und glattgeölt - Ilikeit, das ist die Belohnung nach dem göttlichen Rhythmus, das ist dereine Tag Fassnacht nach 6 Tagen ohne Frau. Na und?, auch an den schs Tagen wird das Rohr geputzt und munter drauflosgeschossen, ja mein Lieber, hier geht täglich was ab, nicht nur einzweimal im Monat wie bei dir, Mensch, mein Großvater hatte mit 70 noch die Nachbarin besucht und sich hinterher die Hose hochgezogen und weißt du was, die war sogar älter als er, ja glaubst du nicht und willst du gar nicht wissen, du nicht mit deinen postpostmenopausalen Rückenschmerzen.
Bist doch nur in den Osten, weil sie dich im Westen nicht gebrauchen konnten: Hast es zu nix gebracht, dann ab in den Osten! Früher hattense drüben Auffanglager für WilligAusreiser aus im Osten,
jetzt sind wir hüben als okkupierte Gebiete
[Korrekt: Neue Bundesländer, NBL, ausdrückliche Entschuldigung für die diskriminierenden Austrücke]
Aufstiegslager für WillnichDableiber aus dem Westen
[korrekt: Führungskräftereserve (zugegeben: der Qualität nach eher Reservekräfte), neuhdt. für Nomenklaturkader (oder auch ungebräuchlich aus dem russ.: номенклатура) das war alles schon mal dagewesen: Ab neunzehn83 wurde beim Ministerrat der elektronische „Zentrale Kaderdatenspeicher"(ZKDS) geführt und aus Papiermangel nie ausgedruckt, weil mit schätzungsweiseCircaundungefähr dreihundert9unddreißigtausend Namen drin, aber eben nicht ungefährschätzungsweiseundCirca dreihundert40tausend oder dreihundert8unddreißigtausend oder schätzungsweiseundungefährCirca dreihundert9unddreißigtausend500, weil eben urdeutsch und faustisch geWAGNERt.]
erklärt worden.
Oh Mann, dachte er, was glaubst du eigentlich, was du für eine Wundertüte zu Hause hast? Du brauchst doch nun wirklich nichts zu befürchten, dachte er, als ich sie bat, meine verspiegelte Sonnenbrille im Bett aufzusetzen (mein letzter Wille, eine Frau mit Brille, haha), dachte er, da hatte sie gelacht und hatte mitgemacht, dachte er und warum wohl sollte sie die Brille aufsetzen? Weil sie solche vorstehenden Augäpfel hat, wie sagt man noch: Glubschaugen? Stielaugen? Fischaugen?
Er dachte, oh Mann, erst die Figur noch! Eingekleidet konnte Frau Somanches verdecken, dachte er, aber spätestens nach dem ersten Ausziehen sah man doch, was lose war und wackelte, wie Margomöse ihre Birnenfigur, Margomaus ihre ausgewinkelten Knie, Margott ihre überquellende Büste, der Figur wegen springt mein Motor nicht an, dachte er, denn deine Alte ist nicht mehr frisch und knackig, aber woher willst du das schon wissen, wenn du sie nicht mehr nimmst, dachte er.
Da will ich dir mal erklären, dachte er, was dich erwartet, wenn du sie doch noch mal ausziehst und anschaust:
(Und die ELEKTRAAustQuerflöte spuckte aus den Boxen und blies Akbärt den Türkischen Marsch:)
Also ihr Bauch, hörst du?
Da siehst du, dass du nichts siehst von dem Bund des Höschens, der ganz und gar in ihre Hüfte reinverschwindet. Ob weiß rot schwarz oder fahl, nichts mehr zu sehen. Und vorn auf dem Bauch geht der schmale Gummirand in der Falte über dem Schamhaaransatz unter und ward nicht mehr gesehen. Erstwo du rumguckst um die Ecke hinten an der Lende über den Pobacken, da taucht das U-Boot wieder auf. Das spitzenbesetzte Vorderteil vom Slip staucht ihre ergrauten Schamhaarraspelstoppeln und du kannst dich darauf freuen, sie gleich gegen den Wuchs zu striegelbürsten. Ihr feiner weißer Speck unter dem Bauchnabel hängt sich zwar im Stehen über das Höschen, aber im Liegen, stell dir vor, dein Daumen bohrt im Trichter zum Nabel und dein kleiner Finger schleicht um das Knöpfchen und deine anderen Finger schieben Schnee auf dem Venusberg und dann hast du ein Spiel zwischen Nase und Zeh oder was Heißeres noch.
Also ihre Titten, hörst du?
Wenn du ihre Brüste aus den Schalen ihrer TragegurteZwangsjackeRiemenjoch freilässt, dann schwappen Ozeane über die Ufer, als würde Atlas eine Milchkanne voll warmen Brei aus der Erdkugel gießen. Der Pudding verläuft sich auf ihrer Brust, ihrem Bauch, fast bis auf ihre Schenkel, als hätte sie zwischen Hose und Hals nur noch Dessert für dich. Wenn dir die süße Spitze mundet, dann schleckst du unter salzigen Achseln jott-wee-dee, janz-weit-draußen, oder mit deiner ZungenLippenZahnFingerspitze kannst den steil aufragenden Felsen aus der Mitte zart emporrubbeln und vom Roten Meer umspült steigen junge Felssteine im Kreis auf.
Also ihre Beine, hörst du?
Aber jetzt siehst du dann die verwellte Rückseite ihrer Oberschenkel, wie sie immer noch ihre Muskeln durchscheinen lassen und weiter unten in die propperen Waden sind die Ansätze des Zwillings eingekratzt. Der pralle Rand der Scholle zeichnet die Knallerwadenkontur. Ihre schlanken Fesseln halten ihre schlanken Füßchen und der Knöchel steht rund und ohne scharfe Kanten hervor. Um ihre Fesseln trägt sie ein feingliedriges Kettchen, hast du noch nicht gesehen. Also ihre Füße, hörst du? Da fallen dir die rot lackierten Zehennägel auf, ja was glaubst du? Zierlich rundgeformte Plättchen, die knallrot wie die Beine vom grünen Esel deinen Blick anziehen, aber mein Freund, dann, ich weiß, sagst du, sie kann nix dafür, ichweißichweiß, aber wofür sie was kann, das ist, dass man hinglotzen muss, wenn die Nägelplättchen bunt wie Papageien den Blick ansaugen, das kann man ihr vorwerfen, dass man jetzt natürlich die schiefe quasi querstehende Großzehe sehen muss. Und das muss man nicht machen und geht besser.
Also ihre Arme, hörst du?
Aus den fülligen Schultern siehst du, wie überraschend zwei dünne Oberärmchen herausstehen, deren Haut an den Innenseiten welk in Streifen hängt. Wenn du sie berührst, dann spürst du, dass das Fett sich schon vor langer Zeit verselbständigt und streifig unter der Trizepshaut durchhängt.
Also der Rücken, hörst du?
Deine Hände können da langfahren, alsob Erntewagen ihre Spuren eingegraben haben. Da siehst du erst, wie die Abdruckrillen ihrer Träger nur langsam verdampfen. Aber dann bleiben zwei mal zwei Furchen um ihre durchhängenden Hautpartien, die von dem Rückgrat zur Körperseite ziehen, wie ein unten aufgezogener und in der Mitte geteilter Vorhang! Dawo der Vorhang unten gerafft ist , da kannst du deine Augen an ihren ausgestellten Hüften weiden, glaubst du nicht? In der ihre Taille kannst du eine ganze Hand flach reinlegen, soweit kommt die Hüfte raus, versprech ich dir.
Also ihr Gestell, hörst du?
Da fühlst du probehalber mal vor, wie du mit deinem Stiepen an der Hüfte entlang streichen würdest, mit den Augen suchst du dir die Pfade, die deine Fühler später durch Hügel und Senken auf ihrer verwelkenden Haut entlang wandern. Mit den Nägeln windest du kleine Mäander in die schlaffe Haut ihrer hintersten Backen, in Backen, die du jetzt im Stehen über den Schenkelansatz herabhängen siehst, die sich beim Vorbeugen aber spannen und nur lächerlich bedeckt werden vom schamhaft kleinen Hinterteil des Tangas. Da würde dir der Genuss vergehen, wenn du da feststellst, dass sie einen neuen Schlüpfer nicht für dich trägt mit einem kleinen Dreieck als Rückteil, das ihren welligen Pokser umständehalber frei macht und flach die Klamm zuzieht ohne reinzurutschen oder sich in die Haut einzuschnüren.
Also ihr Gesicht, hörst du?
Wenn du so guckst, wie du immer guckst, nämlich meistens vermutlich vorbeiguckst, wie ich mir das so vorstelle, da siehst du natürlich nix Neues. Für dich legt sie keinen Lippenstift auf, keine schwarzen Wimpern sind gefärbt, keine gepuderten Wangen rosa oder Frauenbärtchen gezupft. Aber du weißt dafür ganz genau, dass sie vorstehende Augen hat und weit überbeißende Oberkieferzähne, was aussieht wie bei einem Pferd, das am Zügel gezerrt auf den Hinterhänden steht und wiehert, nur ohne Pferd, stimmts?
Hast du das alles gehört und glaubst dus jetzt? So siehts nämlich aus.
Unwillkürlich schaute er hinaus zu der Gitarre, die aus den Boxen losdonnerte und zu der eindringlich artikulierenden Stimme:
Wenn die Blätter fallen, steigen Nebel nass und kalt, wenn die Blätter fallen werd’ ich hundert Jahre, hundert Jahre alt. Da könnte selbst in dir das kalte Gefühl aufsteigen, dass du es ihr mal leidlich besorgen willst, (du warst eben nicht dabei, als die verbotene Band geweissagt hat,
Zwischen Liebe und Zorn reift der Mensch und er bewegt sich. Auf sich zu immer mehr, was für den nicht angenehm ist, der am Hintern zu schwer.) sodass sie bei der Liebe leidet und sich aber anstrengen will und überwinden will und sich dir hingeben will um sich mit dir zu vereinigen und dass du sie genau dann aber für ihre Vergehen büßen lässt
für ihre Vergehen die sie an dir verübt weil sie mit mir fremdgeht und
für alle anderen Fehler die sie hatte
für die verbeulte aus dem Leim gegangene Figur die sie hatte
für ihre missratenen Speckhänger am Bauch die sie hatte
für ihre misslungenen Gravuren auf dem Rücken die sie hatte und
für die missglückten Rubensbacken die sie hatte
für die Fehler die andere nicht hatten
andere die du nicht haben kannst wie die geschlechtsverwandelte Satyrin deren schminkgebräunte cremeglänzende rasurgeglättete Haut und ausgerecktangeklebte Tüten und öliggeübte Sonstwomuskeln in die du nicht vordringen kannst
dafür sie hast
mit ihren vorstehendauseinandertreibenden Zähnen
mit ihren vorstehendauseinandertreibenden Augen
mit ihrem vorstehendauseinandertreibenden Venusberg
mit ihrer verwelkenden Pracht überall die vor vielen Jahren jung und frisch blühte
dafür dass du deinen Stachel in der Poperze eines SchokoNougatMarGotts aufundniederschwingst
dafür kann sie büßen
und leidend NIEwiederGUTmachen.
Ich jedenfalls kann dir sagen, wie sich das bei mir anfühlt, wenn du mich mit dem Anruf beleidigst alswenn du zu feige bist sie zu entlarven und zu bestrafen dafür dass indem du ihr das Rüschenhöschen runterziehst und dann einfüralleMal erkennst ob du noch was zu melden hast ich will Vergeltung für diesen Dussel von Mann der mich anstinkt und (Lieblich sanft und beruhigend säuselte ein Rockbassstimme aus den Lautsprechern,
Du wirst sehn wie Regen schwebt und wie sich Berg und Tal verwebt. Ein Tropfen Tau an Blüten klebt, so nah. und verebbte in dilettantischer Kopfstimmenhöhe. Die nächste Nummer drohte schon:
In die Abendkühle fällt die Ahnung der Nacht; Tag hat seine Spiele lääängst vollbracht. Ein ohrenbetäubender Bläser-Gitarren-Orgel-Bass-Drum-Akkord blies ihm ins Hirn.) dafür dass du mich jetzt an meine Ex-Frau erinnerst und natürlich dafür was meine Ex mir ImmerundImmernoch zufügt:
für den Verrat an der Zusammengehörigkeit für die Preisgabe der gemeinsamen Zukunft für die Denunzierung unserer Vergangenheit für die Zerstörung des gemeinsamen Heimes für die Entzweiung unserer heiligen Familie,
für die Bosheit ihrer Seele
für die Heuchelei ihrer Zusagen
für die Falschheit ihres Charakters
für das Verschweigen ihres Ausbruchs
für die Doppelzüngigkeit ihrer Versprechen,
für den Ehebruch bevor „DER TOD UNS SCHEIDET“
KurzumUndallesZusammen:
für die Defloration meines männlichen Herzens in seiner schlagenden Brust, dessen Blüte sie im Blut ertränkte und im Stich gelassen hatte - Ich packte sie ihm in die Brusthöhle zwischen die Holzwolle, als man zunähte. Trinke dich satt in deiner Vase! Ruhe sanft, kleine Aster!
RUHE SANFT, ASTER ÄKBäRT-H! —
Du wirst mir nichts ruinieren, sondern ich werde auf dich urinieren, Schwachmatenäkbärt! Das brauch ich mir nich zu gefallen zu gelassen! Ich such mir aus, mit wem ich ins Bett gehe. Da frag ich doch den Äkbärt nicht. Mein Leben ruinieren - stolze Worte des Gekränkten. Was bildet der sich ein?
WISENTJEANS, der!
PRäSENT20JACKE, der!
DEDERONANORAK, der!
NYLONKITTELSCHüRZE, der!
BLüMCHENPERLONBEUTEL, der!